| 
   
   
   
    
    
    
    
    
    
    
    
    
    
    
    
   
   
   
  
   
   
  Kontakt 
   | 
  
   Historia Universalis 
   | 
 
 
  | 
   Französische
  Revolution 
   | 
 
 
  | 
   ! Mit Firefox
  und evtl. anderen Browsern wird diese Seite (integrierte Bilder) nicht
  richtig dargestellt ! 
   | 
 
 
  | 
     
   | 
 
 
  | 
   >>Home Historia Universalis 
   | 
  
   1. Synoptische
  Chronologie der Französischen Revolution 1789-1794 
   | 
 
 
  | 
   >> 
   | 
  
   2. Zusammenhang zwischen
  innerem und äußerem Konflikt 1789-1794 
   | 
 
 
  | 
   >> 
   | 
  
   3. Die Französische Revolution und die Bauern – ein zu Unrecht vernachlässigtes
  Kapitel der Geschichte 
   | 
 
 
  | 
   >> 
   | 
  
   4. Link zu:
  Französische Revolution, Menschenrechte, Kolonialideologie: Vom
  Avantgardebewusstsein zur Bevormundung des Anderen (auf Historia
  interculturalis) 
    
   | 
 
 
  | 
   Last update: 10.12.2006 
   | 
  
     
   | 
 
 
  | 
     
   | 
  
   1.
  Synoptische Chronologie der Französischen Revolution 1789-1794 
   | 
 
 
  | 
   Das
  Schaubild wurde für den Geschichtsunterricht in der Jgst.
  12 erstellt. 
  ©
  W. Geiger 
    
  Synopse
  als 
  >>pdf-Datei 
  Öffnen
  oder Speichern 
   | 
  
  
   
    | 
       
     | 
    
     8.8.1788 
     | 
    
     Ab März 1789 
     | 
    
     5.5.1789 
     | 
    
     17. -20.6.1789 
     | 
    
     11.-14.7.1789 
     | 
    
   
    | 
     Institutionelle 
    Revolution 
     | 
    
     Einberufung der Generalstände 
     | 
    
     Beginn der Wahlen 
    Beschwerdehefte 
     | 
    
     Eröffnung der Generalstände in Versailles. 
    Auseinandersetzung der Vertreter des 3. Standes mit Adel
    und König. Gründung des „bretonischen Clubs“ (= revolutionäre Avantgarde). 
     | 
    
     3. Stand erklärt sich zur Nationalversammlung 
     | 
    
     Entlassung des reformorientierten Finanzministers Necker
    durch den König.  
     | 
    
   
    
     
    Paris
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
     April/Mai : 
    Erste Arbeiterproteste 
     | 
    
       
     | 
    
     Gewaltsame Niederschlagung von Protesten; Bildung
    einer bewaffneten Bürgerwehr. 
    Die Commune wird zu einer Art Gegenregierung. 
     | 
    
   
    | 
     Soziale 
    Revolution 
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
   
    
     
    Provinz
     | 
    
     Konflikte zwischen Adel und 3.
    Stand (v.a. Bretagne). 
    Provinzialständeversammlungen in einigen Provinzen 
     | 
    
     Bauernaufstände v.a. in Südfrankreich
    (geschriebenes Recht!). 
    Erste Städtebefreiungen (z.B. Marseille) 
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
   
   
   | 
 
 
  | 
     
   | 
  
     
  
   
    
    Mitte
    Juli-
    Mitte August
     | 
    
     4.8.1789 
     | 
    
     26.8.1789 
     | 
    
     5.-6.10.1789 
     | 
    
     19.-21.10.1789 
     | 
    
     Nov. 1789 
     | 
    
     11.11.1789 
     | 
    
   
    
    Nationalversammlung nimmt die Arbeit an der Verfassung
    auf
     | 
    
     Abschaffung der Privilegien 
     | 
    
     Menschenrechtserklärung 
     | 
    
     Widerstand des Königs gegen neue Verfassung. 
     | 
    
     Umzug der Nationalversammlung nach Paris 
     | 
    
     „Bretonischer Club“ wird „Jakobinerclub“ 
    2.11.:Konfiszierung der Kirchengüter
    zwecks Verkaufs zur Tilgung der Staatsschulden 
     | 
    
     Auflösung der Provinzen durch Schaffung von Départements 
     | 
    
   
    
     
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
     Marsch der Pariser „Marktweiber“ nach Versailles;
    Besetzung des Schlosses und „Entführung“ der kgl. Familie nach Paris. 
     | 
    
     Unruhen in Paris von der NV durch Kriegsrecht niedergeschlagen 
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
   
    | 
     Neue Unruhen auf dem Lande
    („Grande Peur“). Erste Konflikte zwischen Bürgern
    und Bauern; politische und soziale Auseinandersetzung in den Städten 
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
   
   
   | 
 
 
  | 
     
   | 
  
     
  
   
     
    
    19.12.1789
     | 
    
     22.12.1789 
     | 
    
     24.12.1789 
     | 
    
     Winter ´89/´90 
     | 
    
     28.1.1790 
     | 
    
     März 1790 
     | 
    
     12.7.1790 
     | 
    
     14.7.1790 
     | 
    
   
    
    Schuldverschreibungen des Staates: Assignaten 
    werden 1790 zu Papiergeld
     | 
    
     Wahlrecht für anstehende Kommunalwahlen
    unterscheidet zw. Aktivbürgern
    und Passivbürgern. 
     | 
    
     Bürgerrechte für Protestanten 
     | 
    
       
     | 
    
     Bürgerrechte für Juden Südfrankreichs 
     | 
    
     Ablösbarkeit 
    der grundherrschaftlichen Lasten 
     | 
    
     „Zivilkonstitution des Klerus“ 
     | 
    
       
     | 
    
   
    
     
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
     Sommer: 
    Formierung der Pariser Volksbewegung der Sansculotten
    in revolutionären Gesellschaften 
     | 
    
     Föderationsfest 
    in Paris: revolutionäre Avantgarde aus Paris und der
    Provinz beschwört feierlich die Einheit Frankreichs 
     | 
    
   
    
     
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
     Weitere Bauernaufstände gegen Adel und Grundherrschaft 
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
   
   
   | 
 
 
  | 
     
   | 
  
     
  
   
    
    Winter 1790/91
     | 
    
     Bis 2.3.1791 
     | 
    
     18.-22.5.1791 
     | 
    
     14.6.1791 
     | 
    
     20./21.6.1791 
     | 
    
     August 1791 
     | 
    
     14.9.1791 
     | 
    
     27.9.1791 
     | 
    
   
    
     
     | 
    
     Abschaffung der Zünfte, 
    Errichtung der Handelfreiheit 
     | 
    
     Dekrete zur Einschränkung der Befugnisse der Pariser
    Stadtteilsektionen 
     | 
    
     Koalitionsverbot für berufsständische Vereinigungen
    (= Arbeiterversammlungen)  
     | 
    
     Flucht des Königs in Varennes gestoppt 
     | 
    
     Wahl der neuen Nationalversammlung nach dem Zensuswahlrecht 
    (tritt am 1.10. zusammen) 
     | 
    
     König leistet Eid auf die Verfassung 
     | 
    
     Alle Juden Frankreichs erhalten staatsbürgerliche
    Gleichberechtigung 
     | 
    
   
    
     
     | 
    
       
     | 
    
     Zunehmende Auseinandersetzung der Pariser Sansculotten  
    mit Nationalversammlung und Regierung 
     | 
    
       
     | 
    
     Ruf nach Abschaffung 
    der Monarchie; blutige Zusammenstöße mit dem Militär 
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
   
    
    Schwere Bauernunruhen.
    Aufbau einer Emigrantenarmee in
    Koblenz mit Geheimkontakten nach Frankreich; erste konterrevolutionäre
    Aktionen in Frankreich 
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
   
   
   | 
 
 
  | 
     
   | 
  
     
  
   
     
     
    
    Winter 1791/92
     | 
    
     Frühjahr 1792 
     | 
    
     20.4.1792 
     | 
    
     Juni/Juli 1792 
     | 
    
     August 1792 
     | 
    
     September 1792 
     | 
    
     Okt./Nov. 1792 
     | 
    
   
    
     
     | 
    
    Herrschaft der „Girondisten“
    in Nationalversammlung und Regierung.
    Beschlagnahme
    des Besitzes der Emigranten
     | 
    
     Nationalversammlung erklärt  
    Österreich den Krieg 
     | 
    
     Entlassung der girondistischen
    Minister durch  
    den König;  
    letzter Machtkampf zwischen Revolution und Monarchie 
     | 
    
     Entschädigungslose Abschaffung der Feudalrechte,  
    für die keine Rechtstitel vorgelegt werden können. 
     | 
    
     Wahlen zum Nationalkonvent 
    nach allgemeinem Wahlrecht, aber mit geringer Wahlbeteiligung.
     
    21.9.:Abschaffung der Monarchie  
     | 
    
       
     | 
    
   
    
     
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
       
     | 
    
     Internierung der kgl. Familie nach dem Tuileriensturm vom 10.8.; letzte gemeinsame Aktion
    der Avantgarde aus Paris und der Provinz. 
    Die Pariser Commune erklärt
    sich für „aufständisch“. 
     | 
    
     Septembermassaker (2.-5.9.) in Paris an politischen
    Gefangenen. 
     | 
    
       
     | 
    
   
    | 
     In verschiedenen Teilen Frankreichs Teuerungsunruhen,
    Bauernaufstände, Übergriffe
    gegen eidverweigernde Priester 
     | 
    
       
     | 
    
     Erste konterrevolutionäre 
    Aktionen an verschiedenen 
    Orten Frankreichs. 
     | 
    
     Vordringen der
    Koalitionstruppen in Nordostfrankreich. 
     | 
    
     Kanonade von Valmy 20.9. – militärische Wende zugunsten Frankreichs. 
     | 
    
     Militärische Siege:
    Eroberung des linksrheinischen Gebietes. 
     | 
    
   
   
   | 
 
 
  | 
     
   | 
  
     
  
   
    
    Dez./Jan. 1793
     | 
    
    März 1793
     | 
    
     April 173 
     | 
    
    Mai-Juni 1793
     | 
    
    Juli 1793
     | 
    
    August 1793
     | 
    
     Sept./Okt. 1793 
     | 
    
   
    
    Guillotinierung Ludwigs XVI. auf dem Revolutionsplatz
    (21.1.).
    Einführung der revolutionären Gesetzgebung in
    den eroberten Gebieten.
     | 
    
    10.3.: Errichtung des Revolutionstribunals 
     | 
    
    Einsetzung des „Wohlfahrtsausschusses“.
     | 
    
     
     
     
     
     
      
    Bewaffnete Demonstrationen der Pariser Sansculotten erzwingen Ausschluss der girondistischen Abgeordneten aus dem Konvent (2.6.).
    Beginn der Jakobinerherrschaft
     | 
    
    Endgültige entschädigungslose Abschaffung
    der Feudallasten (17.7.).
    Todesstrafe für Schieber und Schwarzhändler.
    Robespierre wird Mitglied des Wohlfahrtsausschusses.
    Beginn der „Terreur“ = Schreckensherrschaft.
     | 
    
     
     | 
    
     
     
     
     
     
     
     
    Sansculotten
    erzwingen weitere Radikalisierung der Revolution: Festsetzung von
    Höchstpreisen; Guillotinierung der Girondisten;
    Verbot der Frauenclubs (Hinrichtung von Olympe de Gouges
    am 4.11.)
     | 
    
   
    
     
     | 
    
     
     | 
    
     
     | 
    
     
     | 
    
     
     | 
    
   
    
    Teuerungsunruhen und gewaltsame Festsetzung
    von Höchstpreisen („taxation populaire“) in weiten Teilen Nordfrankreichs. –
    Konterrevolutionäre Verschwörung des Marquis
    de la Rouërie in der Bretagne.
     | 
    
    Militärische
    Rückschläge in den österreichischen Niederlanden (Belgien).
    Beginn des Bauernaufstandes in der Vendée und in der Bretagne.
     | 
    
     
     | 
    
     
     | 
    
    „Föderalistischer“ Widerstand in weiten Teilen
    Süd und Westfrankreichs gegen Paris und die Jakobinerdiktatur im
    Konvent.
     | 
    
    Beginn des Vernichtungskrieges gegen die Vendée und Niederschlagung der übrigen „föderalistischen“
    Aufstände im Süden und Westen
     | 
    
    Französische
    Siege über Engländer bei Dünkirchen und Österreicher bei Wattignies
     | 
    
   
   
   | 
 
 
  | 
     
   | 
  
     
   | 
 
 
  | 
   Dieses
  Schaubild wurde für den Geschichtsunterricht in der Jgst.
  12  erstellt. 
  ©
  W. Geiger 
    
  Das Schaubild ist als jpg-Datei integriert. 
   | 
  
   2. Französische Revolution: 
  Zusammenhang
  zwischen innerem und äußerem Konflikt 1789-1794 
    
  
   
   
   
   
   | 
 
 
  | 
     
   | 
  
     
   | 
 
 
  | 
     
   | 
  
   3. Die Französische Revolution und die
  Bauern –  
  ein zu Unrecht vernachlässigtes Kapitel der
  Geschichte 
   | 
 
 
  | 
   ©
  W. Geiger 
  2004 
   | 
  
   Die Kritik am Ancien Régime
  griff in den Jahren vor und zu Beginn der Revolution gerne das Bild des unter
  der Feudallast leidenden Bauern auf und die berühmten Karikaturen haben heute
  Eingang in die entsprechenden Geschichtslehrwerke für die Schule gefunden.
  Die Beschwerdehefte (Cahiers de doléances)
  aus dem ländlichen Raum unterstrichen die Forderungen nach einem Ende der
  mittelalterlichen Grundherrschaft. Damit kontrastiert jedoch seltsam die
  Minimalisierung, wenn nicht gar Verdrängung der Frage im Rückblick heute, was
  die Revolution für die Bauern eigentlich brachte, die immerhin 85% der
  Bevölkerung ausmachten! Da erfährt man von den „drei Revolutionen“ des Jahres
  1789, darunter die der Bauern, von der „Abschaffung der Privilegien“ in der
  berühmten Nachtsitzung der Nationalversammlung vom 4. August 1789..., doch
  rätselhaft oder gar unverständlich bleiben deren Ergebnisse im Hinblick auf
  die Forderungen der Landbevölkerung durch die in den Geschichtsbüchern oft
  kommentarlose Erwähnung der „Ablösung der Feudallasten“. 
   | 
 
 
  | 
   „Ablösung“
  der Feudallasten 
   | 
  
   Tatsächlich wurden nur die Leibeigenschaft und die Frondienste ersatzlos
  abgeschafft (und nicht einmal letztere ohne wenn und aber); die
  Leibeigenschaft war in Frankreich, anders als in großen Teilen Deutschlands,
  ein Relikt aus früheren Zeiten, das nur noch ca. eine Million Menschen betraf
  – immerhin durften sie sich jetzt ihrer Freiheit erfreuen. Anders sieht es
  jedoch mit den grundherrlichen Abgaben aus. Die „Ablösung“ war ein Loskauf,
  d.h. die Vorauszahlung der Abgaben auf 20 Jahre bei Geldzahlungen bzw. auf 25
  Jahre bei Naturalleistungen (Gesetz vom 3. Mai 1790), mit der die Befreiung
  des Landes vom Grundherrn und somit ein eindeutiges Besitzverhältnis am Grund
  und Boden eintreten sollte. Dass heute selbst in den großen Standardwerken
  zur Französischen Revolution oft keine klare Angabe über die Höhe dieser
  Ablösung steht, ist vielleicht nur Ausdruck der chaotischen Zustände, die
  damals herrschten, und deren Unklarheit und Unübersichtlichkeit der
  Revolution von vornherein schon ein Gutteil ihres Ansehens bei der ländlichen
  Bevölkerung kostete; vielleicht ist es aber auch nur Ausdruck der
  Geringschätzung dieser Frage durch die Historiker, die entweder der
  institutionellen Revolution, d.h. der Entstehung des modernen
  Parlamentarismus, oder aber der Revolution der städtischen Volksmassen im
  Hinblick auf die dadurch herbeigeführte Jakobinerdiktatur das größte
  Augenmerk widmen. 
   | 
 
 
  | 
   [1] Walter Markov, Revolution im Zeugenstand, Bd. 2. –  
  Siehe auch in:  
  Geschichte und Geschehen Themenheft
  Französische Revolution, S.32. 
  (Ausführliche bibliografische Angaben
  am Ende). 
    
  [2] Cf. Annie Moulin, Les paysans dans
  la sociéte française… 
   | 
  
   In der Quelle  41 bei Markov [1] kommt der entsprechende Protest der Bauern aus
  der Haute-Marche (kleine Provinz südlich der
  Normandie) in einem Schreiben an die Nationalversammlung vom 8. Mai 1790 deutlich
  zum Ausdruck. Sie haben damals sicher gerade das fünf Tage zuvor
  verabschiedete Gesetz zur Agrarfrage im Wortlaut kennen gelernt, das die
  Hoffnungen der Bauern angesichts der feierlichen Beschlüsse des 4. August
  1789 maßlos enttäuschen musste: Wer konnte sich schon durch Einmalzahlung der
  Summe von 20 oder 25 Jahren von der Abgabenpflicht loskaufen? Auch die
  Konzession an die ärmeren Bauern, diese Zahlung auf 12 Raten zu strecken,
  half nur wenigen, denn wer konnte die doppelte jährliche Summe aufbringen, wo
  schon die einfache Abgabenlast drückend hoch war? [2] Zudem waren viele
  Bauernhöfe gemeinschaftlich zu den Abgaben veranlagt und konnten sich
  individuell gar nicht ablösen, wie die Bauern in dem erwähnten
  Protestschreiben betonten.  
  Das Aufbringen der Ablösesumme hätte wohl im Allgemeinen die Aufnahme
  eines Kredits von reichen Bürgern der Stadt erfordert; so hätte der
  betreffende Bauer weiterhin seine Raten bezahlt, diesmal als Schuldentilgung
  an den Kreditgeber (plus die anfallenden Zinsen), und für sein Alter oder
  zumindest für seine Kinder erhoffen können, dann frei von Schulden und Lasten
  zu sein. Doch in diesen Zeiten einer ernsten Wirtschaftskrise, die bereits
  vor 1789 virulent war und sich mit der Revolution nur noch steigerte, war die
  Gefahr groß, dadurch in den Ruin getrieben zu werden und seinen als
  Sicherheit verpfändeten Besitz (Hypothek) zu verlieren. Doch kam es letztlich
  kaum zur Durchführung des Gesetzes, da in vielen Regionen Frankreichs die
  Bauern sich durch Aufstände zuerst gegen die Grundherren und später gegen die
  Regierung selbst von den Abgaben befreiten. 
   
   | 
  
   
   
   
  Michel Gerard 
  Laboureur. Né au Bas Quincé 
  Paroisse St. Martin de Rennes 
  Député de
  Bretagne 
  à l’Assemblée nationale de 1789. 
  Bild
  aus einem Buch von 1842 
  Wikimedia Commons  
    
   | 
 
 
  | 
     
    
    
    
  [3] Furet / Richet, Die
  Französische Revolution, S.89. 
  Ein Bauer als
  Abgeordneter 
  [4] „labour“ = Landarbeit. Der „laboureur“  war jedoch kein Landarbeiter im Sinne eines
  Tagelöhners, sondern ein grundbesitzender
  Landwirt. 
  [5] Almanach:
  Illustrierter Kalender mit Sprüchen, hier (fiktive) Interviews des Père Gérard zur Revolution und zur Arbeit der
  Nationalversammlung. 
   | 
  
   In dem Maße, wie sich die Macht der Nationalversammlung festigte, trat
  somit dem alten Konflikt zwischen Adel und Bauern ein neuer Konflikt zur
  Seite: der zwischen Bürgertum und Bauerntum. Das war schon dadurch vorprogrammiert,
  dass unter den Vertretern des 3. Standes nur einige wenige Bauern waren –
  übrigens keineswegs gar keine, wie
  es etliche auch namhafte Historiker behaupten: “Bei der starken Vertretung
  des Dritten Standes dagegen fällt die gesellschaftliche und politische
  Einheitlichkeit auf: keine Bauern, keine Handwerker und keine Arbeiter,
  sondern eine geschlossene Bürgerphalanx aus gebildeten, ernsthaften Männern
  [...]“[3]. –Dabei wurde doch ein „laboureur“[4],
  wie seine offizielle Berufsbezeichnung war, unter den Abgeordneten berühmt:
  Michel Gérard aus einem Dorf bei Rennes in der Bretagne, als Père Gérard von dem Jakobiner Collot d’Herbois zum Aushängeschild
  eines überaus populären Almanachs [5] gemacht, war er doch für die Jakobiner
  die Verkörperung des politisierten aber im Rousseauschen Sinne natürlichen
  einfachen Mannes vom Lande. 
  Michel Gérard war freilich kein kleiner Bauer, denn sonst hätte er
  seine Tätigkeit als Abgeordneter und die Abwesenheit von seinem Hof nicht aus
  eigener Tasche bezahlen können. Trotzdem gehörte er zu jener Landbevölkerung,
  die 85% des Dritten Standes ausmachte und zu Recht nach derselben Logik wie
  Abbé Sieyes gegenüber den beiden anderen Ständen in
  seiner Schrift Was ist der Dritte
  Stand? eine angemessene Berücksichtigung, wenn nicht in der
  Nationalversammlung selbst, dann zumindest bei den Inhalten der dort
  beschlossenen Gesetze erhoffen durfte. 
  Die Handvoll Bauern, die zusammen mit Michel Gérard in der Nationalversammlung
  saßen, hatten keinen Einfluss auf deren Beschlüsse, doch ergriffen etliche Abgeordnete
  bürgerlicher oder klerikaler Herkunft für die Sache der Bauern Partei,
  freilich auch ohne sich gegen die Mehrheit durchzusetzen, die schließlich mit
  der Verfassung von 1791 durch das Zensuswahlrecht ca. 50% der männlichen
  Bevölkerung (die weibliche ohnehin) vom aktiven Wahlrecht und die große Masse
  insgesamt vom passiven Wahlrecht ausschloss. 
   | 
  
   
   
   
  Ausschnitt aus der Darstellung des Ballhausschwurs von Jacques
  Louis David 
    
   | 
 
 
  | 
   Revolution
  auf dem Lande 
  [6] Cf. Rolf
  Reichardt, Die Franzuösische Revolution; Susanne
  Petersen, Die Große Revolution und die kleinen Leute. 
  Siehe auch in:  
  Geschichte und Geschehen Themenheft Französische Revolution, S.32f. 
   | 
  
    „Vater Gérard“ wurde auch vom
  Revolutionsmaler David in seiner Darstellung des Ballhausschwurs verewigt.
  Der nebenstehende Ausschnitt zeigt den bretonischen Bauern als einzigen, der
  sich beim Schwur der Abgeordneten des 3. Standes, jetzt zur
  Nationalversammlung konstituiert, nicht den pathetischen Gesten des erhobenen
  Armes oder des Griffs ans Revers anschließt, sondern sich zum Gebet
  niederkniet. Vielleicht ungewollt kommt hier bereits in visionärer Ahnung der
  spätere Konflikt zwischen Nationalversammlung und Landbevölkerung zum
  Ausdruck, da der Katholizismus vor allem in Westfrankreich tief verwurzelt
  war und die Bauern den radikalen Kampf gegen die katholische Kirche nicht mit
  trugen, zumal sich viele Mitglieder des niederen Klerus, einfache Pfarrer,
  anfangs entschieden auf die Seite der Revolution gestellt hatten. 
  Schon in der Anfangsphase zwischen der Einberufung der Generalstände
  durch den König im Sommer 1788 für das darauf folgende Jahr, ihrer Wahl und
  ihrem Zusammentreten in Versailles im Mai 1789, begann ein revolutionärer
  Prozess auf dem Lande, v.a. in Südfrankreich, wo es
  zu Verweigerungen von Abgaben nach der Ernte im Herbst 1788 und gewaltsamen
  Konfrontationen mit den Grundherren kam; vielerorts wurden deren Schlösser
  gestürmt und die Urkunden vernichtet, in denen nach dem geschriebenen Recht römischer Tradition in Südfrankreich die
  Pflichten der Hörigen festgelegt waren. Hier galt das Schriftstück zum
  Nachweis der Ansprüche, anders als im Gewohnheitsrecht
  germanischer Tradition in Nordfrankreich, wo es nichtsdestotrotz auch
  Abgabenverweigerungen und gewaltsame Auseinandersetzungen gab (z.B. in der
  Bretagne). Die Bauernaufstände setzten sich 1789 nach den Beschlüssen des 4.
  August und den dadurch erweckten Hoffnungen auf eine gänzliche Abschaffung
  des Feudalsystems fort. Die Dokumente darüber sind zahlreich, einige frühe
  aus dem Jahr 1790 finden sich z.B. bei Reichardt
  oder Petersen [6]. 
   | 
 
 
  | 
     
    
    
   | 
  
   Diese eigenständige Revolution, die der institutionellen Revolution,
  d.h. der Konstituierung der Nationalversammlung und ihrem Kampf gegen den
  König, vorausging, sie begleitete und in Konflikt mit ihr trat, bleibt in den
  meisten Standardwerken zur Französischen Revolution und v.a.
  in den schulischen Lehrbüchern unterbelichtet und unterbewertet. 1790 und in
  den folgenden Jahren bis zur Jakobinerherrschaft versuchte die Nationalversammlung
  diese Bauernrevolution zurückzudrehen: Den durch die Vernichtung der
  Feudalurkunden geschädigten Grundherren sollte ermöglicht werden, durch
  Zeugen oder andere Zeugnisse den Nachweis über ihre Rechte zu führen und diese
  dadurch wieder zu erlangen; Abgabenverweigerungen und Widerstände gegen das
  Gesetz über die Ablösung wurden mit der neu gebildeten Nationalgarde
  bekämpft, Aufstände niedergeschlagen, es kam zu militärischen
  Konfrontationen, Bürger kämpften jetzt gegen Bauern.  
   | 
 
 
  | 
   Verkauf
  der Nationalgüter 
   | 
  
   Die Einberufung der Generalstände geschah, weil
  der Staat vor dem Bankrott stand und selbst der absolut regierende König
  keinen anderen Ausweg mehr sah, als die Vertreter der „Nation“ – ein
  politischer Begriff, der damals entstand und die Gesamtheit der Staatsbürger
  bezeichnete – um Mithilfe zu bitten. Die Finanzprobleme waren mit der
  Konstituierung der Nationalversammlung und der Ausarbeitung einer Verfassung
  nicht gelöst, es musste Geld her. Neue Geldquellen fand man in der
  Konfiszierung der Kirchengüter sowie des immobilen Privatvermögens der ins
  Ausland emigrierten Adligen. Diese jetzt so benannten Nationalgüter wurden
  zum Verkauf angeboten, der Erlös sollte die Staatsschulden decken. Dass der
  Verkauf nur schleppend voranging – weil z.B. die Immobilien zunächst nur in
  großen Einheiten zur Versteigerung angeboten wurden – gab man Anleihen auf
  den Wert der Nationalgüter aus, die Assignaten, die schnell zu einem allgemeinen
  Zahlungsmittel wurden und das erste generell eingeführte Papiergeld
  darstellten (abgesehen von ersten Erfahrungen damit, auch hinsichtlich der
  Inflation, in China). Die Druckerpresse löste das Schuldenproblem für den
  Staat, aber die daraus folgende Inflation verschlimmerte noch die soziale und
  wirtschaftliche Not für das Volk. 
   | 
 
 
  | 
     
  [7] vgl. Quelle 45
  bei Markov und  
  [8] Annie Moulin,  
  Les
  paysans..., S.47.  
  (Übers.
  W.G.) 
   | 
  
   Auf dem Land forderten die Kleinstbauern und
  besitzlosen Tagelöhner die Aufteilung des noch existierenden Gemeindelandes
  zu ihren Gunsten [7]; der Verkauf der Nationalgüter hat, soweit er denn
  erfolgte, der ländlichen Bevölkerung kaum etwas gebracht: im Distrikt Cholet z.B., einem späteren Zentrum der Chouannerie, dem Bauernaufstand gegen die
  Revolutionsregierung in Paris, „haben die Bauern 9,3% des zum Verkauf
  angebotenen Bodens kaufen können gegenüber 56,3% für das städtische Bürgertum
  und 23,5% für den Adel.“[8]. Die letzte Zahl zeigt, dass selbst etliche in
  Frankreich gebliebene Adlige trotz des Verlustes ihres alten Status noch über
  genügend Privatbesitz verfügten um von den neuen Spielregeln mehr zu
  profitieren als die Bauern... 
   | 
 
 
  | 
   Jakobiner,
  Krieg, Bürgerkrieg 
   | 
  
   Die Jakobiner setzten im Konvent, der dritten Etappe
  des revolutionären Parlamentarismus, endlich die ersatzlose Streichung aller
  Feudalabgaben durch... – doch kam dies zu spät um die Entfremdung zwischen
  Regierung und Bauern, Stadt und Land stoppen oder gar zurückdrehen zu können.
  Neben dem radikalen Kampf gegen die katholische Kirche, der in der Verfolgung
  der den Eid auf die Republik verweigernden Priester ihren Höhepunkt fand und
  in weiten Kreisen v.a. der westfranzösischen
  Landbevölkerung auf kein Verständnis traf, kamen mit dem Krieg, den die Nationalversammlung
  in präventiver Absicht 1792 gegen Österreich und die deutschen Fürsten
  begonnen hatte, die Zwangsrekrutierung von Soldaten, nachdem die Zahl der
  Freiwilligen nicht mehr ausreichte, sowie eine Sondersteuer auf die vom
  Kriegsschauplatz weit entfernten Regionen Frankreichs. Doch alles
  entscheidend war wohl die wirtschaftliche Krise, in der sich Stadt und Land
  als Antipoden eines erbarmungslosen Konfliktes gegenüber standen.  
   | 
 
 
  | 
   [9] Annie Moulin, S.46. 
   | 
  
   In Zeiten der Nahrungsmittelknappheit stehen das Interesse der
  Konsumenten, also der Stadtbevölkerung, an einem möglichst niedrigen
  Brotpreis dem ebenso natürlichen Interesse der Produzenten, also der Bauern,
  an einer möglichst hohen Entlohnung ihrer Arbeit diametral gegenüber... Durch
  den Krieg, der die Ostprovinzen Frankreichs heimsuchte, wurde die
  Versorgungslage nur noch verschärft, Hamstermentalität breitete sich aus. Die
  Regierung widersetzte sich lange der Forderung der revolutionären städtischen
  Massen, der Sansculotten, nach Preisfestsetzung,
  denn zum einen war die gerade erst gewonnene Handelsfreiheit wesentlicher
  Bestandteil der bürgerlichen Grundüberzeugung, zum anderen ahnte man
  vielleicht, anders als bei der Tragödie der Inflation der Assignaten,
  die soziale Sprengkraft, die in der Preisfestsetzung lag. So richtete sich
  der Hass zunächst gegen angebliche oder echte Spekulanten, Zwischenhändler,
  die von der Lage profitierten um die Endpreise zu erhöhen. Gewaltsame
  Auseinandersetzungen und Plünderungen waren die Folge. Doch dann richtete
  sich die Wut der städtischen Volksmassen, Träger der Revolution und der
  bewaffneten Nationalgarde, gegen die Landbevölkerung, wie etliche Dokumente
  in der Sammlung von Markov belegen: zunächst
  bewaffnete Banden, später reguläre Einheiten der Nationalgarde,
  beschlagnahmten vermeintliche oder echte Spekulationshortungen und legten
  Verkaufspreise für Getreide auf den Märkten fest. „Ab 1793 beginnt eine lange
  Reihe von Zwangsmaßnahmen, deren Ziel es ist, die Bauern zur Herausgabe ihrer
  Ernteerträge zu zwingen. Im Juli 1793 wird das Hamstern und Horten zum
  Kapitalverbrechen erklärt. Im September werden die Höchstpreise für Getreide
  festgelegt. Die Distrikte werden beauftragt, Beschlagnahmungen zu
  organisieren.“[9]  
   | 
 
 
  | 
     
    
  [10] Geogres Lefebvre, La Révolution
  française et les paysans, S.356. 
   | 
  
   Spätestens von da an hatte die Revolution wohl bei weiten Kreisen der
  Landbevölkerung im Westen und Süden Frankreichs, entfernt vom
  Kriegsgeschehen, ihr Ansehen verloren, war die ursprüngliche Begeisterung in
  hoffnungslose Enttäuschung umgeschlagen; in der Erinnerung wurden die
  früheren Zeiten immer besser angesichts einer immer schlimmeren Gegenwart.
  „Widerstände gegen die Revolution“, wie es der Historiker Roger Dupuy formulierte, und die geheim organisierte und von
  den Emigranten finanzierte echte Konterrevolution mischten sich zusammen zu
  einem Bürgerkrieg, der im berühmt-berüchtigten Jahr II der Republik –
  1793-1794 – zwei Drittel Frankreichs gegen die Jakobinerherrschaft in Paris
  erfasste. Die Vielschichtigkeit der Interessenlagen und
  politisch-militärischen Fronten zeigt sich auch darin, dass im Aufstand gegen
  Paris auch Städte beteiligt waren (wie z.B. Nantes), die ihrerseits im
  Konflikt mit der Landbevölkerung lagen. Insgesamt sind jedoch der Bürgerkrieg
  und die damit verbundene Diktatur Robespierres ohne die Entfremdung mit dem
  Bauerntum nicht zu verstehen. So stellte der große alte Revolutionshistoriker
  Georges Lefebvre schon 1932 fest: „Es kann also kein Zweifel daran bestehen,
  dass die Revolution den Wünschen der erdrückenden Mehrheit der Bauern
  keinerlei Beachtung schenkte.“[10] 
   | 
 
 
  | 
     
   | 
  
   W.
  Geiger 
   | 
 
 
  | 
   Bibliografie 
   | 
  
   Walter Markov, Revolution im Zeugenstand. Frankreich
  1789-1799, Bd.1: Aussagen und
  Analysen, Bd.2: Gesprochenes und
  Geschriebenes, Frankfurt/M. (Fischer TB) 
  1987. 
  François Furet / Denis Richet, Die
  Französische Revolution, Frankfurt/M. 1968, (Fischer TB) 1987. 
  Annie Moulin, Les paysans dans la sociéte
  française – De la Révolution à nos jours, Paris  1988. 
  Rolf Reichardt (Hg.), Die Französische Revolution, Freiburg/Würzburg (Ploetz) 1988. 
  Susanne Petersen, Die
  Große Revolution und die kleinen Leute. Französischer Alltag 1789/95.
  Kommentare, Dokumente, Bilder, Köln (Pahl-Rugenstein)
  1988. 
  Roger Dupuy, De la Révolution à la Chouannerie –
  Paysans en Bretagne 1788-1794, Paris 1988. 
  François Lebrun / Roger
  Dupuy (Hg.), Les résistances à la
  Révolution. Actes du colloque de Rennes (17-21 sept. 1985), Paris 1987. 
  Georges Lefebvre, „La
  Révolution française et les paysans » [1932], in : G. Lefebvre, Etudes sur la Révolution française,
  Paris 1954, 1963. 
  Wolfgang Geiger, Paris accapateur !
  1789-1989 : Pour une déparisianisation de l’histoire de la Révolution
  française, Morlaix 1989. 
  Wolfgang Geiger, „Die Französische Revolution“, in:  Geiger / Wölling
  /Rehberg-Credé, Die
  Französische Revolution und die napoleonische Herrschaft, Geschichte und Geschehen Themenheft, Leipzig
  (Klett Schulbuchverlag), 2006, S.5-39. 
    
    
   | 
 
 
  | 
     
   | 
  
     
   | 
 
 
  | 
   >> 
   | 
  
   4. Link zu:
  Französische Revolution, Menschenrechte, Kolonialideologie:  
  Vom
  Avantgardebewusstsein zur Bevormundung des Anderen  
  auf Historia
  interculturalis 
  Übersetzung
  eines Vortrages in Paris 1991. 
    
    
   | 
 
 
  | 
   Zurück nach
  oben 
  Zurück 
  zur Übersicht 
   | 
  
     
   | 
 
 
  | 
     
   | 
  
     
   |